Unsere eigentliche Reise hatte begonnen. Nach unserer Klettersteigaktion und noch viel wichtiger dem Austausch unserer Bordbatterie in Andorra, waren wir endlich in Nordspanien gelandet. Zugegeben, für den Weg hierher hatten wir doch um einiges länger gebraucht als geplant, aber wir haben ja Zeit und es ist auch einfach ein schöner Weg.
Der erste Stopp war
Rodellar. Inmitten eines Nationalparks an den südlichen Pyrenäenausläufern gelegen, ist der Mascún Canyon eines DER Klettergebiete Aragons. Und mit Kindern? Einfach super, viele Sektoren in denen die lieben Kleinen am Mascún spielen können, während sich die Eltern am Fels tot machen. Auch schön zu sehen, dass mein untrainiertes On-sight-Niveau immerhin bei 6a+ liegt.
Roxy la Palmera (6b+, Sektor Criminal Tango) zeigte mir im oberen Teil zwar meine Grenzen auf, aber mit ein paar Versuchen sollte sich dieser Grat auch punkten lassen. Am Tag unserer Ankunft gab es gleich eine super Aktion. Jeder bekam auf dem Weg in die Schlucht einen Müllsack und Handschuhe in die Hand gedrückt und wurde aufgefordert Abfall aus dem Mascún Canyon mitzubringen. Zum einen ist die Schlucht damit einer der saubersten Plätze Spaniens und zum anderen bekamen wir Bier und Tapas, als wir den Sack wieder abgaben. Klettern waren wir in den Sektoren La Fuente, Rigole, Criminal Tango, Bikini und Furia Latina. Bis auf Criminal Tango alle sehr gut Kindertauglich. Als Rückweg am zweiten Tag wählten wir den kleinen Umweg über den
Via Ferrata Espolón de la Virgen (1 Stunde, 200 hm, C). Ein zum Teil luftig geführter Klettersteig zur Einsiedelei Virgen del Castillo, der mit den Kindern (zum Teil wegen des hohen Eisengehalts) kein Problem war.
Die Tage verflogen und wir zogen nach drei Tagen im Mascún Canyon weiter nach
Riglos. Böse Zungen behaupten ja die Mallos de Riglos sind der steilste Kartoffelacker Spaniens, für den Konglomeratliebhaber sind sie aber das Größte (immerhin 300 vertikale Meter). Nicht nur landschaftlich der Wahnsinn. Man hat dort nämlich auch die Möglichkeit eine riesige Geierkolonie zu beobachten. Der
Camino del Cielo (4 Stunden, 450 hm, 7 km) führte uns durch die Mallos, über einen Pass und zurück zu einem wohlverdienten Eis in Riglos. Mit Paul beging ich am nächsten Morgen noch den Klettersteig von Riglos (
Ferrata del Cubilillo d’Os Fils, 4 Stunden, 420 hm, 9 km, C). Wie schon in Rodellar ist der Steig mit viel Eisen ausgerüstet, macht aber trotzdem viel Spaß und der versicherte Abstieg ist wirklich sehr spektakulär durch die Türme geführt. Neben dem tollen Ausblick auf die Mallos de Riglos kann man eigentlich dauernd die Geier beobachten, wie sie um einen kreisen.
Der weitere Weg führte uns über
Pamplona zur baskischen Küste. Jeder Game of Thrones Fan dürfte Dragon Stone ein Begriff sein. In Wirklichkeit heißt die Halbinsel
Gaztelugatxe und beherbergt neben der aus der Serie bekannten Treppe, auch eine kleine Kirche. Ein Kap weiter östlich fanden wir einen richtig guten Platz an einem Leuchtturm für die Nacht, mit Sonnenuntergang direkt hinter Gaztelugatxe.
Ein Wort zum Übernachten: wir sind Fans frei zu stehen. Auf einen Campingplatz verschlägt es uns normalerweise erst wenn wir uns nicht mehr riechen können (also dringend duschen müssen) oder waschen ansteht oder die Toilette überläuft (was man aber oftmals auch an Wohnmobilservicestationen erledigen könnte), also so im Schnitt alle drei bis sechs Tage. Beim Freistehen sollte es eigentlich klar sein, dass man den Übernachtungsplatz sauberer hinterlässt als man ihn vorfindet. Sollte, tut es aber nicht! Leider schaden die „Dreckspatzen“ damit allen, die ein Land abseits von Campingplätzen und betonierten Wohnmobilstellpätzen erkunden wollen. Überrascht hat uns die Menge an Freistehern. Ok, um diese Zeit haben die meisten Campingplätze bereits geschlossen, aber vielleicht liegt es auch an diversen Apps, die die Nachtplatzsuche durch Vergabe von Sternchen und Kommentaren zu GPS-Positionen ziemlich einfach macht. Versteht uns nicht falsch, es ist schon schön, wenn man nicht ewig suchen muss bis man einen geeigneten Schlafplatz gefunden hat, aber bei zu vielen Kommentaren und Bewertungen für einen Platz sind wir inzwischen ziemlich vorsichtig geworden, sonst steht man schnell mit 20 anderen auf einem vollgeschissenen, staubigen Parkplatz eines ganz „geheimen“ Strandes.
Aber zurück zur eigentlichen Reise. Da wir ja nach zwei Tagen des „Sightseeings“ die Füße (und vielmehr die Hände) nicht mehr still halten können, legten wir am Weg nach Bilbao einen Kletterstopp in
Urduliz ein. Ein kleiner Sandsteinbruch auf halben Weg zwischen Gaztelugatxe und Bilbao. Die Kletterei war überraschend gut und mit Paul hatte ich sogar die Möglichkeit seine erste Mehrseillängentour zu gehen. Am Gipfel war ich fast noch stolzer auf ihn, als er auf sich selbst. Der erste Schritt ist getan, um mir einen neuen Alpinkletterpartner heranzuziehen. Topos findet man im Internet und der Erschließer der neuen Sektoren stellt seine
Topos dankenswerterweise auch zur Verfügung.
Normalerweise umgehen wir mit den Kindern Städte, zu viel Stress und meist noch zu langweilig für die Beiden.
Bilbao war da anders. Wir verbrachten einen wunderbaren Tag rund um das Guggenheim Museum und die Altstadt. Ich muss schon sagen, Bilbao ist ein überraschend nettes Städtchen. Obwohl eigentlich Industriestadt, hat es sich in den letzten 20 Jahren ziemlich gemacht und ist definitiv einen Abstecher wert.
Von Bilbao folgten wir nun der Küste. Erst nach ein paar Tagen an wunderschönen Steilküstenplätzen (naja, einer war so ein App-Hot-Spot, dort haben wir zwar sehr nette Leute kennengelernt, aber der Platz selbst war leider total zugeschissen!). Bis wir am
Playa de la Arnía unser Kletterseil wieder auspacken konnten. Ein kleines, aber für einen Nachmittag feines Klettergebiet (7 geboltete Routen von 4+ bis 6a+ und einigen cleanen Rissen) auf unserem Weg Richtung Westen.
Die Küste verließen wir nun nur noch einmal, nämlich um die
Picos de Europa zu besuchen. Über Arenas de Cabrales gelangten wir von der Nordseite ins Herz des Nationalparks. Bei Sotres wanderten wir auf einen kleinen Karstgipfel um freie Sicht auf den
Naranjo de Bulnes (Picu Urriellu) zu haben (4 Stunden, 400 hm, 4 km). Dieser beeindruckt schon gewaltig mit seiner Westwand. Weitaus toller auf der Wanderung war aber ein frischgeborenes Kälbchen zu beobachten und eine ganze Geierkolonie, die wohl auf ihr Glück und Abendessen hoffte. Die Mutter verteidigte das Kleine aber ziemlich wehrhaft und so mussten sich die Vögel etwas anderes suchen. In einem weiteren Tag umrundeten wir den Park auf der Ost und Südseite (über den Puerta de San Glorio) und sahen im Süden in den Park, im Valdeón. Der
Torre de Cerredo ist dort der bestimmende Felsgipfel und nicht weniger beeindruckend als der Naranjo. An einer antiken Wolfsfalle übernachteten wir und kurz bevor wir diese erreichten kreuzte noch eine Bache mit einem Frischling unseren Weg.
Paul Geburtstag feierten wir dann halb/halb, erst in den Bergen und dann am Meer. Der geplante Besuch der Covadonga Seen und der Buferrera Mine war dann der erste Satz mit X in diesem Urlaub, naja Wochenende eben, da ist die Zufahrt zu den Seen nämlich für den Individualverkehr gesperrt und man müsste die Bergstraße mit Bussen machen. Da verzichteten wir auf die Massen liebend gerne und fuhren weiter zu den
Cuevas del Mar. Ein kleines aber feines Klettergebiet am gleichnamigen Strand. Leider schlug das Wetter um und so wanderten wir im Regen um den Strand und die Höhlen, die durch die Brandung geformt wurden. Die Nacht am Strand war auch die erste unseres Urlaubs mit teilweise kräftigem und anhaltendem Regen (sonst hatten wir nur an zwei Tagen etwa eine Stunde Regen). Da unsere Wetterapps einstimmig besseres Wetter im Westen prognostizierten, brachen wir am Vormittag unsere Zelte ab und machten uns wieder auf den Weg. Cuevas del Mar ist mit Sicherheit ein schönes Gebiet, da die Routen aber alle nur etwa 10 Meter lang sind und es auch „nur“ etwa 20-30 Stück sind, ist es das Gebiet eher für einen kombinierten Strand-/Klettertag als für längeres Bleiben bei wechselhaftem Wetter geeignet.
Bei Gijón besserte sich das Wetter und wir konnten uns das Bouldergebiet
El Tranqueru bei Xivares ansehen. Ein bisschen erinnert das Gebiet an das Märchen von Dornröschen, nur ohne Prinz und Kuss, dafür mit vielen Brombeerstrräuchern und wenigen gepuzten Bouldern. Wer das Gebiet also aufsuchen möchte, dem sei eine Heckenschere oder eine Machete ans Herz gelegt. Das zweite Gebiet war dann ein ähnlicher Reinfall. Über
Cabo Negro steht schon im Führer, dass die Bedingungen durch die Nähe zum Meer selten sehr gut sind, wer aber wenn nicht Boulderer freuen sich über eine gute Ausrede. Naja, die See war stürmisch, der Abstieg an manchen Stellen ungut und die Boulder nicht wirklich zu sehen, aber die Kulisse ist beeindruckend. Dafür waren wir durch diesen Abstecher praktisch direkt am
Playa de Xagó. Und da im Herbst und unter der Woche praktisch nichts mehr los ist, blieben wir gleich zwei Nächte auf einem idyllischen Platz direkt am fast menschenleeren Strand und ließen uns die Sonne auf den Bauch scheinen.
Als wir nun nach Galizien kamen, veränderte sich der Fels in den Klettergebieten und wir durften uns an Granit austoben. Unser erster Stopp war am
Monte Frouxeira, nur wenige Kilometer vom Meer entfernt inmitten eines Eukalyptuswaldes. Ein wunderschöner Platz und wirklich toller Fels. Dieser erinnert sehr an den Granit im Joshua Tree, sehr organisch und gar nicht so einfach. Da wir aber nun mal in der Nähe des Meeres waren, wollten wir auch am Meer Klettern. So hieß das nächste Ziel
Cabo Prior. Das Gebiet ist spektakulär an dem Kap gelegen, aber absolut ungeeignet mit Kindern. Praktisch überall ausgesetztes Absturzgelände. Umso geeigneter für Kinder ist jedoch das Erkunden der verfallenen Befestigungsanlagen am Kap. Um ehrlich zu sein, hat das Durchstreifen der Bunker mehr Spaß gemacht als über der stürmischen See zu klettern. Die Nacht an einem kleinen Strand in der Nähe war dann eher weniger erholsam. Mehrmals überlegte ich das Hochdach wieder einzuklappen, damit es keinen Schaden in den Sturmböen nimmt. Doch auch diese Nacht ging herum und das Wetter hatte sich am Morgen auch wieder gebessert. Am Weg zum
Cabo Vilán blieben wir dann bei der Festung von
Vimianzo hängen und so begnügten wir uns damit, das Klettergebiet am Leuchtturm nur in Augenschein zu nehmen, aber nicht zu beklettern. Der Granit hier sah nicht ganz so organisch aus wie in den Gebieten zuvor, aus den Rissen rann aber noch Wasser aus der Nacht zuvor. Zufällig fanden wir dann auch noch einen der Dolmen, die es hier in der Gegend wohl zuhauf gibt.
Nun erwischte uns ein weiterer Herbststurm und so verzichteten wir auf das
Castro de Baroña. Zum einen da das Wetter und die Bedingungen nicht zum Klettern am Meer einluden, zum anderen da ich vom Granit hier langsam die Nase voll hatte. So besuchten wir lieber
Santiago de Compostela, um zumindest noch ein wenig Touriprogramm zu absolvieren. Und siehe da, wir hatten Sonne und einen sehr netten Tag mit einer schweizer Familie, die wir in Muros kennengelernt hatten. Ganz ohne Klettern wollten wir Spanien aber nicht verlassen und so verbrachten wir noch einen Tag am
Monte Galiñeiro, nahe der Portugiesischen Grenze. Das Wetter hatte sich gebessert, der Fels ist Orthogneis (der mir um Welten mehr Spaß machte als der runde Granit) und nicht nur die Sektoren, sondern auch die Routen sind kindergeeignet. Es hätte ein sehr schöner und feiner Abschluss für Spanien werden können, leider dann eine Nacht mit Starkregen, einem undichten Dach und einem kleinen Mißgeschick, das fast in einer gebrochenen Nase von Karin geendet hatte. Jetzt schauen wir mal was der Nachmittag so bringt, vielleicht trocknet es ja noch ein bisschen. An Spanien hatten wir klettertechnisch große Erwartungen und die wurden vollends erfüllt. Vom perfekten Sportklettern in Rodellar, über nette Klettersteige in Riglos und Rodellar, Sportklettern an der kalabrischen Küste und eindrucksvolle Wanderungen in den Picos de Europa hatten wir alles dabei. Leider am Ende auch etwas weniger gutes Wetter, aber auch das gehört dazu. Und die Stimmung über der aufgepeitschten See, wenn die Sonne wieder heraus kommt ist sowieso jede Sturmnacht wert. Und zu guter Letzt haben wir sogar etwas Botanisches gelernt. Der Stechginster ist kein echter Ginster….stechen kann er aber wie hulle.
Nun freuen wir uns aber schon auf Portugal und auf hoffentlich ein wenig besseres Wetter als wir es die letzten Tage hatten. Wobei, Herbststürme sollen wichtig sein, um die Monster in Nazare zu formen und wer will so was nicht mal gesehen haben. Auf jeden Fall verzichten wir auf den Norden, dort sieht das Wetter der nächsten Tage ähnlich wie hier aus.