Wenn man sich in unserer Wohlstandsgesellschaft mal so richtig gruseln will, fährt man Geisterbahn...oder man geht Alpinklettern in den Dolomiten. Ihr dürft raten für was wir uns entschieden haben.
Matze, Bäda und ich konnten uns relativ kurzfristig
Freitag freinehmen und so trafen wir uns in aller frühe in Rosenheim, um möglichst schnell über den Brenner zu kommen. Und siehe da, kurz vor Mittag waren wir schon am Valparola. Schnell ein paar Friends und die Gurte in den Rucksäcken verstaut und schon stiegen wir durch den Goinger Stollen zum Einstieg (½ Stunde, 150 hm) der
Hexenstein Südkante (7 SL, UIAA 5-). Die Route ist wirklich nett für den Schwierigkeitsgrat und die Stände sind sogar mit jeweils einem zementierten Ring ausgerüstet. Dass uns am vierten Stand ein Hagelschauer überraschte, trübte die Stimmung nur geringfügig, zumal wir auf dem Gipfel (1¾ Stunden, 150 hm) die nassen Sachen schon wieder trocknen konnten. Nach einer gemütlichen Pause stiegen wir durch die Stellungen (
wie mit den Kids letzten Herbst) wieder zum Parkplatz am Werk Tre Sassi ab (½ Stunde).
Eine gemütliche, kleine Runde an so einem Nachmittag. Wir hatten aber Blut geleckt und der Plan für den nächsten Tag nahm, bei Bier und Nudeln immer mehr Gestalt an. Und so suchten wir uns einen gemütlichen Schlafplatz nahe dem Rifugio Dibona.
Samstag ging es nämlich im ersten Licht für uns an den 2. Tofana-Pfeiler. Die berühmt-berüchtigte
Pilastro trauten wir uns (zu Recht) nicht zu, aber für die
Pfeiler Kante (14 SL, UIAA 6-) sollten wir das Rüstzeug schon haben. Der Zustieg über den Wanderweg und ein Band am unteren Ende der Wand (¾ Stunde, 280 hm), ist noch recht lieblich, aber schon in der ersten Seillänge geht es zur Sache. Und es wird nicht leichter. Mich hatte der Start schon ziemlich eingeschüchtert und so war ich froh, dass Bäda am scharfen Ende unserer Halbseile unterwegs war. Die Krux der Tour, ein brüchiger 6- Quergang mit unglaublich viel Luft unter den Sohlen, ist wirklich beeindruckend. Und auch darüber ist die Ausgesetztheit gewaltig. Noch dazu sind die Stände dolomitentypisch, also mehr oder minder gute Schlaghaken und einige davon sind Hängestände. Wie viel Spaß es macht an so einem zu dritt zu hängen, kann jeder für sich selbst entscheiden. Aber jeder Spaß geht irgendwann zu Ende und so stiegen wir über die letzten, etwas leichteren Meter auf den Pfeiler aus (8 Stunden, 500 hm). Die Pause hatten wir uns redlich verdient und so vernichteten wir endlich unsere Brotzeit, bevor wir auf einem kleinen, ausgesetzten Militärsteig aus dem 1. Weltkrieg zum Rifugio Giusanni abstiegen (½ Stunde, 20 hm). Das Bier, obwohl ein italienisches, schmeckte unglaublich gut und so war der Abstieg zum Rifugio Dibona auch nur noch halb so schlimm (½ Stunde).
Nach den 800 hm und 11 Stunden (mit Pausen), hatten wir uns an diesem Abend Bier und Pizza in Cortina verdient, bevor wir uns ein Schlafplätzchen nahe dem Passo Tre Croci suchten, um die Anfahrt für den nächsten Tag zu verkürzen.
Auch Sonntag starteten wir wieder im Morgengrauen, diesmal aber mit einer Autofahrt zur Auronzo Hütte. Unser Ziel für diesen Tag war nämlich die Große Zinne Westwand Dülfer (8 SL, UIAA 5+). Der Zustieg zog sich deutlich mehr als gedacht und ist, vor allem im oberen Bereich, relativ unangenehmes Geschottere (¾ Stunde, 360 hm). Zusammen mit einer Unterlandler Seilschafft kamen wir an der Tour an. Die beiden ließen uns aber den Vortritt und so stieg Bäda bis zum ersten Stand vor. Recht kompakt, aber auch unglaublich steil für den Grat. Die folgende Riesenverschneidung tropfte aber vor Nässe. Also entschieden wir uns Abzuseilen und zum Einstieg zurück zu kehren (1. SL + Abseilen; 1 Stunde, 40 hm). Durch die Rinne, über die wir schon zugestiegen waren, traten wir unseren Abstieg an (½ Stunde). Am unteren Ende der Rinne querten wir aber nach Osten, um zum Normalweg (UIAA 3+) auf die Zinne zu gelangen (½ Stunde, 150 hm). Der Normalweg ist relativ einfach zu finden. Hie und da glänzt ein Abseilhaken oder ein Steinmadl weißt den Weg über die Rinnen, Kamine und Bänder zum Gipfel (1½ Stunden, 450 hm). Auch wenn wir den Aufstieg seilfrei absolvierten, so waren wir doch froh das Seil für den Abstieg zu haben. Im oberen Bereich folgten wir der Aufstiegsroute, bis zum unteren Terrassenband. Über dieses gibt es Steigspuren nach Westen bis zu einem Köpfchen, dort kann man entweder eine steile Rinne in die Rinne zwischen Großer und Kleiner Zinne absteigen, oder an nigelnagelneuen Abseilständen über die Süd-Ostwand vier- bzw. zweimal abseilen (2 Stunden). Somit gelangten wir fast direkt an den Punkt, an dem wir ein paar Stunden vorher zur Dülfer zu- bzw. abgestiegen waren. Von hier aus sind auch die letzten paar Hundert Meter zurück zum Auto nicht mehr der Rede wert (¼ Stunde). Durch unseren kleinen Abstecher an der Westwand hatten wir an diesem Tag dann doch 1000 hm in 7 Stunden (mit Pausen) gesammelt.
Was für ein Wochenende, viel steiler, brüchiger Fels, viel Angst und am Ende jeder Tour unglaublich viel Erleichterung und Freude. Ob wir drei wirkliche Dolomitenfreunde werden, ich weiß nicht, aber hie und da gruseln in unserer Wohlstandswelt, warum nicht. Jungs, das Wochenende mit euch war mir ein Volksfest.