Der erste Teil dieses Blogbeitrages entstand während der Tour, der zweite dann zu Hause unter den Eindrücken des Erlebten. Diese Tour hat uns sehr eindrücklich gezeigt, wie nahe Freude und Katastrophen beieinander liegen. Wer also nur über schöne Touren lesen möchte, sollte das Lesen bei der Begehung des Biancograts einstellen. Für mich ist dies eine Möglichkeit das Erlebte zu reflektieren, aufzuarbeiten und möglicherweise in einer ähnlichen Situation andere Entscheidungen zu treffen.
Chamanna Boval
Montag konnte es endlich mit unserer Hochtourenwoche los gehen. Die schweren Ziele für die Woche hatten Vladi und ich schon begraben, nun ging es nur noch darum ein Gebiet mit halbwegs brauchbarem Wetter zu finden. Das Engadin zeigte als einzige Region stabiles Wetter und so starteten wir von Morteratsch aus zur Chamanna Boval (1¾ Stunden, ↑580 hm). Der Abend verging recht schnell, da wir zum einen Christoph trafen (der einen Hochtourenkurs für den Holländischen Alpenverein führte) und wir zum anderen einer Hubschrauberbergung vom Spallergrat bei einsetzender Dunkelheit zusehen konnten.
2017_07_31_Boval |
Piz Morteratsch (3751 m, PD/II)
Der Dienstag begann um 4 Uhr, so dass wir kurz vor 5 Uhr als erste den Weg zur Fuorcla da Boval hinauf wandern konnten. Kurz vor der Fuorcla gings noch in leichter Kraxelei durch einen Felsriegel (2 Stunden, ↑830 hm) und dahinter hinunter auf den Gletscher. In der Nacht gab es Temperaturen weit über dem Gefrierpunkt und so war der Gletscher kurz nach Sonnenaufgang ein einziges Sulzfeld. Nach einer kurzen Pause (und aufmascherln fürs Eis) stiegen wir in eisigem Wind (im Gegensatz zur Morteratsch Seite wehte es auf dieser Seite der Fuorcla sehr kräftig) zur Schulter und weiter zum Gipfel des Piz Morteratsch auf (1½ Stunden, ↑450 hm). Der Ausblick auf Piz Palü, Biancograt und Piz Roseg sind gigantisch, der kalte Wind ließ uns aber nicht lange verweilen und so traten wir nach 20 Minuten den Abstieg an.
Nach einer kurzen Schrecksekunde auf der blanken Flanke unterhalb der Schulter (Vladi war ein Steigeisen weggerutscht) trafen wir noch Christoph mit seiner Gruppe und erreichten nach einem Sprung über den Bergschrund das Block- und Schottergelände oberhalb der Chamanna Tschierva (1 Stunde, ↓580 hm). Das Aufräumen gestaltete sich als etwas mühsam (vor allem das Seil war etwas widerspenstig) und der Wind nervte uns inzwischen schon sehr, aber nach dem endgültigen Abstieg zur Hütte (1 Stunde, ↓560 hm) konnten wir endlich ein Bier und den Windschatten genießen.
2017_08_01_PizMorteratsch |
Piz Roseg (Schneekuppe, 3917 m) über Eselsgrat (AD-/40°/III+)
Spätestens am Gipfel des Piz Morteratsch war klar, dass unser Ziel, die Ostwand des Piz Roseg nicht machbar ist. Die warmen Nächte hatten die Wand blank und mit riesigen Felsriegeln hinterlassen und das Steinbombardement startete schon vor Sonnenaufgang. Also über den N-Grat (Eselsgrat) hinauf und hinunter, auch schön. Zusammen mit den Biancograt-Begehern bekamen wir um 3 Uhr unser Frühstück auf der Tschierva. Anschließend überquerten wir im Schein unserer Stirnlampen den Ostteil des Vadret da Tschierva, stiegen am Piz Umur bis zum Beginn des Nordgrats auf und wechselten auf den Westteil des Vadret da Tschierva. Das Gletscherbecken durchquerten wir in einem weiten Süd-Bogen, bis wir an den Beginn des Eselsgrat gelangten (3 Stunden, ↑800 hm). Ab hier begann die ziemlich lustige Kletterei in bombenfestem Fels, sogar mit einigen Bohrhaken abgesichert. Teils luftig ging es über zwei Türme und ein paar Türmchen (1 Stunde, ↑200 hm). Der Weiterweg führte erst durch sulzigen Schnee und dann durch blankes Eis (in der Gipfelflanke) zum Gipfel der Schneekuppe (1½ Stunden, ↑450 hm).
Auch hier dauerte unser Gipfelaufenthalt nicht lange. Der Weiterweg auf den Hauptgipfel sah zwar ziemlich spektakulär aus, wegen des aufgeweichte Schnees am weiteren Grat verwarfen wir aber den Plan weiter zum Hauptgipfel zu gehen und stiegen ab. In der steilen Flanke ließ ich Vladi gesichert abklettern und so erreichten wir den Beginn des Eselsgrats etwas später als gedacht (1½ Stunden). Der Bergführer mit seinen zwei Kunden war allerdings auch nicht schneller. Die Abseilstellen waren leicht zu finden und so waren wir 1 Stunde später über den Bergschrund am Gletscher. Der Rückweg durch das Spaltengewirr des Tschiervagletschers, über das Geschottere des Piz Umurs und zurück zur Tschiervahütte war dann die Pflicht nach der Kür (2 Stunden), aber eigentlich halb so schlimm. Wenn die Temperaturen bleiben wie sie sind, dürfte der Weg durch den Gletscher erheblich schwerer werden.
Auch hier dauerte unser Gipfelaufenthalt nicht lange. Der Weiterweg auf den Hauptgipfel sah zwar ziemlich spektakulär aus, wegen des aufgeweichte Schnees am weiteren Grat verwarfen wir aber den Plan weiter zum Hauptgipfel zu gehen und stiegen ab. In der steilen Flanke ließ ich Vladi gesichert abklettern und so erreichten wir den Beginn des Eselsgrats etwas später als gedacht (1½ Stunden). Der Bergführer mit seinen zwei Kunden war allerdings auch nicht schneller. Die Abseilstellen waren leicht zu finden und so waren wir 1 Stunde später über den Bergschrund am Gletscher. Der Rückweg durch das Spaltengewirr des Tschiervagletschers, über das Geschottere des Piz Umurs und zurück zur Tschiervahütte war dann die Pflicht nach der Kür (2 Stunden), aber eigentlich halb so schlimm. Wenn die Temperaturen bleiben wie sie sind, dürfte der Weg durch den Gletscher erheblich schwerer werden.
2017_08_02_PizRoseg |
Piz Bernina (4049 m) über Biancograt (AD+/40°/IV-)
Der Donnerstag hatte gut begonnen. Ein schnelles Frühstück und schon wanderten wir zur Fuorcla Prievlusa (2½ Stunden, ↑860 hm). Schon am Klettersteig nahm ich Vladi ans Seil, auch wenn er es nicht gebraucht hätte. Der Felsteil nach der Fuorcla machte, sowie auch am Tag zuvor schon, richtig Spaß (welch ein Unterschied im Trockenen zu klettern, im Gegensatz zum letzten Mal). Als wir am Firn vor der Haifischflosse ankamen (1 Stunde, ↑170 hm) bereitete sich gerade eine Dreierseilschaft vor loszugehen. Zusätzlich war noch ein Bergführer (Raphael) mit Kunde da und zwei Vorarlberger Bergretter (Dana und Marco), die uns im Felsteil überholt hatten.
Also Stau in der Umgehung, die schon recht blank aussah. Als sich er Stau auflöste stiefelten auch wir los und direkt hinter den Vorarlbergern setzte ich im ersten Blankeis eine Schraube für Vladi als Stand. In der etwa 40° Flanke gings schnell hinauf und als ich an der Hälfte die zweite Schraube setzte, hörte ich einen Schrei über mir. Mit einer leichten Drehbewegung flog der Erste der Dreierseilschaft über den Grat, dicht gefolgt von der Zweiten. Nach einer kurzen Pause wurde der Dritte über den Grat gerissen und die Drei nahmen unaufhaltsam Fahrt auf. Nach einer gefühlten Ewigkeit, nur das klimpern der schlagenden Ausrüstung im Ohr, und vielen Versuchen der Drei ihre Rutschpartie zu stoppen, trafen sie auf die Randfelsen auf und verschwanden aus unserem Blickfeld. Schnell legte ich die letzten Meter zu Dana und Marco zurück, die schon die Rega verständigten, und holte Vladi zu mir herauf. Wir sahen uns an, keiner hatte in diesem Moment schon wirklich realisiert was gerade passiert war. Die Rega fragte ob wir ausgeflogen werden wollten, nach kurzer Beratung die einhellige Meinung: nein uns geht es gut. Nachdem wir der Kantonspolizei noch unsere Namen und Telefonnummern gegeben hatten, warfen wir vier unsere Ausrüstung zusammen und entschlossen uns als eine Seilschaft gesichert den blanken ersten Grataufschwung zu gehen. Langsam ging es hinauf, alle 20-30 Meter eine Schraube, jede zweite Schraube ein Tibloc. Nach dem ersten Aufschwung wieder aufgeweichter Firn. Wir entschieden die Seilschaft aufzulösen und mit Vladi am kurzen Seil stapfte ich dem Gipfel entgegen. Der Wind hatte aufgefrischt und wehte uns fast vom Grat. Mitten in der Firnspur auf einmal ein runder Ausbruch, eine Rutschspur, keine Seileinschnitte. Das dürfte die Stelle sein, an der am Tag zuvor eine Bersteigerin abstürzte. Immer wenn sich der Grat blank zeigte wieder ein Stück an Eisschrauben gesichert weiter, ohne Blankeis am kurzen Seil, die Nerven zum Zerreißen gespannt. Raphael hatte ein paar gute Stände für seinen Gast geschlagen, wir konnten sie nutzen, um bis in den Firn hinein zu sichern. Die Beiden hatten die Dreierseilschaft direkt nach der Haifischflosse überholt und waren beim Sturz ein gutes Stück über ihnen. Raphaels Gast, zu der Zeit mit Klettern beschäftigt, hatte nicht nach unten gesehen. Nicht auszudenken wenn sich die Beiden knapp hinter/unter den Stürzenden befunden hätten. Langsam setzte mir das Erlebte zu, sickerte in mein Bewusstsein, aber weiter konzentrieren, funktionieren. Wenn ich Vladi an einer Eisschraube nachsicherte begann das Zittern. Die Vorarlberger blieben immer weiter zurück und zogen schließlich den Rega Joker (Hut ab vor dem Piloten und dem Flugretter, eine Seilbergung bei diesem Sturm). Nach einer kurzen Absprache mit Vladi zeigte ich dem Helikopter, dass wir keine Hilfe benötigen, es sind nur noch wenige Meter zum Gipfel des Piz Bianco (3¼ Stunde, ↑450 hm). Am Gipfel angelangt fällt die Anspannung ab, ich kauere mich hin, zittere und werde von Weinkrämpfen gepackt, was machen wir hier eigentlich. Dieses Mal benötigte ich den guten Zuspruch von Vladi.
Aber die Tour ist am ersten Gipfel noch lange nicht vorbei, der Teil vor dem ich am meisten Respekt hatte kommt erst noch, der Verbindungsgrat zwischen Piz Bianco und Piz Bernina. Doch dieses Mal liegt hier kein Schnee. Ohne Steigeisen macht die Kletterei richtig Spaß und das Erlebte wird wieder in den Hintergrund gedrängt. Trotzdem sind wir langsam, legen viele Sicherungen, gehen vieles nicht am laufenden Seil sondern sichern konsequent. Am letzten Aufschwung werden wir von einem Bergführer (Marcel) mit Gast (Natascha) und ihrem Fotografen (Thomas) überholt, es werden ein paar freundliche Worte gewechselt und dann geht es weiter. Die beiden Italiener, die schon die ganze Tour auf Abstand hinter uns sind, kommen immer näher. Und da erreichen wir die Bernina (2½ Stunden, ↑130 hm), mein fünfter Versuch an diesem Berg. Mir wäre heute ein wetterbedingtes Umkehren lieber gewesen. Am Gipfel gibt es Platz und wir machen eine ½ Stunde Pause, geredet wird wenig (außer von den dauerquasselnden Italienern). Alle brechen auf und wir lassen sie vor, auch am Spallergrat müssen wir uns noch konzentrieren. Der Absturz von Norbert Joos letztes Jahr ist mir noch gut in Erinnerung. Noch vor dem ersten Firnteil kommt uns Thomas wieder entgegen. Er ist auch Bergführer und bietet uns an, uns zur Marco e Rosa Hütte zu bringen. Wir sind froh, die Belastung der letzten Stunden hat ihren Tribut gefordert und so ist es schön sich über Seiltechnik und Wegfindung keine Gedanken mehr machen zu müssen. Die Abseilstellen klettern wir ab und so überholen wir auch die Italiener mit ihrem Seilverhau wieder. Am Ende des Felsgrates habe ich Netz und kann Karin anrufen. Als ich ihr erzähle bricht es wieder aus mir heraus, ich hatte nicht gedacht, dass mich das Erlebte so sehr berührt. Ich dachte ich wäre abgebrühter.... Endlich erreichen wir die Hütte (2 Stunden, ↓450 hm) und können uns aus unserer Ausrüstung schälen. Nach 12½ Stunden und dem Erlebten sind wir fertig mit der Welt. Die Hüttenwirte nahmen uns herzlich auf und Bier und Pasta (mit dem besten Pesto das ich je gegessen habe) stärkten uns und wir konnten mit den anderen (vor allem mit Raphael, Thomas und Marcel) den Unfall durchsprechen. Mir tat es gut darüber zu sprechen, jetzt da alles im Bewusstsein angekommen ist. Überraschenderweise schlief ich schnell und gut ein und auch fast aus (wenn man 5 Uhr ausschlafen nennen will).
Also Stau in der Umgehung, die schon recht blank aussah. Als sich er Stau auflöste stiefelten auch wir los und direkt hinter den Vorarlbergern setzte ich im ersten Blankeis eine Schraube für Vladi als Stand. In der etwa 40° Flanke gings schnell hinauf und als ich an der Hälfte die zweite Schraube setzte, hörte ich einen Schrei über mir. Mit einer leichten Drehbewegung flog der Erste der Dreierseilschaft über den Grat, dicht gefolgt von der Zweiten. Nach einer kurzen Pause wurde der Dritte über den Grat gerissen und die Drei nahmen unaufhaltsam Fahrt auf. Nach einer gefühlten Ewigkeit, nur das klimpern der schlagenden Ausrüstung im Ohr, und vielen Versuchen der Drei ihre Rutschpartie zu stoppen, trafen sie auf die Randfelsen auf und verschwanden aus unserem Blickfeld. Schnell legte ich die letzten Meter zu Dana und Marco zurück, die schon die Rega verständigten, und holte Vladi zu mir herauf. Wir sahen uns an, keiner hatte in diesem Moment schon wirklich realisiert was gerade passiert war. Die Rega fragte ob wir ausgeflogen werden wollten, nach kurzer Beratung die einhellige Meinung: nein uns geht es gut. Nachdem wir der Kantonspolizei noch unsere Namen und Telefonnummern gegeben hatten, warfen wir vier unsere Ausrüstung zusammen und entschlossen uns als eine Seilschaft gesichert den blanken ersten Grataufschwung zu gehen. Langsam ging es hinauf, alle 20-30 Meter eine Schraube, jede zweite Schraube ein Tibloc. Nach dem ersten Aufschwung wieder aufgeweichter Firn. Wir entschieden die Seilschaft aufzulösen und mit Vladi am kurzen Seil stapfte ich dem Gipfel entgegen. Der Wind hatte aufgefrischt und wehte uns fast vom Grat. Mitten in der Firnspur auf einmal ein runder Ausbruch, eine Rutschspur, keine Seileinschnitte. Das dürfte die Stelle sein, an der am Tag zuvor eine Bersteigerin abstürzte. Immer wenn sich der Grat blank zeigte wieder ein Stück an Eisschrauben gesichert weiter, ohne Blankeis am kurzen Seil, die Nerven zum Zerreißen gespannt. Raphael hatte ein paar gute Stände für seinen Gast geschlagen, wir konnten sie nutzen, um bis in den Firn hinein zu sichern. Die Beiden hatten die Dreierseilschaft direkt nach der Haifischflosse überholt und waren beim Sturz ein gutes Stück über ihnen. Raphaels Gast, zu der Zeit mit Klettern beschäftigt, hatte nicht nach unten gesehen. Nicht auszudenken wenn sich die Beiden knapp hinter/unter den Stürzenden befunden hätten. Langsam setzte mir das Erlebte zu, sickerte in mein Bewusstsein, aber weiter konzentrieren, funktionieren. Wenn ich Vladi an einer Eisschraube nachsicherte begann das Zittern. Die Vorarlberger blieben immer weiter zurück und zogen schließlich den Rega Joker (Hut ab vor dem Piloten und dem Flugretter, eine Seilbergung bei diesem Sturm). Nach einer kurzen Absprache mit Vladi zeigte ich dem Helikopter, dass wir keine Hilfe benötigen, es sind nur noch wenige Meter zum Gipfel des Piz Bianco (3¼ Stunde, ↑450 hm). Am Gipfel angelangt fällt die Anspannung ab, ich kauere mich hin, zittere und werde von Weinkrämpfen gepackt, was machen wir hier eigentlich. Dieses Mal benötigte ich den guten Zuspruch von Vladi.
Aber die Tour ist am ersten Gipfel noch lange nicht vorbei, der Teil vor dem ich am meisten Respekt hatte kommt erst noch, der Verbindungsgrat zwischen Piz Bianco und Piz Bernina. Doch dieses Mal liegt hier kein Schnee. Ohne Steigeisen macht die Kletterei richtig Spaß und das Erlebte wird wieder in den Hintergrund gedrängt. Trotzdem sind wir langsam, legen viele Sicherungen, gehen vieles nicht am laufenden Seil sondern sichern konsequent. Am letzten Aufschwung werden wir von einem Bergführer (Marcel) mit Gast (Natascha) und ihrem Fotografen (Thomas) überholt, es werden ein paar freundliche Worte gewechselt und dann geht es weiter. Die beiden Italiener, die schon die ganze Tour auf Abstand hinter uns sind, kommen immer näher. Und da erreichen wir die Bernina (2½ Stunden, ↑130 hm), mein fünfter Versuch an diesem Berg. Mir wäre heute ein wetterbedingtes Umkehren lieber gewesen. Am Gipfel gibt es Platz und wir machen eine ½ Stunde Pause, geredet wird wenig (außer von den dauerquasselnden Italienern). Alle brechen auf und wir lassen sie vor, auch am Spallergrat müssen wir uns noch konzentrieren. Der Absturz von Norbert Joos letztes Jahr ist mir noch gut in Erinnerung. Noch vor dem ersten Firnteil kommt uns Thomas wieder entgegen. Er ist auch Bergführer und bietet uns an, uns zur Marco e Rosa Hütte zu bringen. Wir sind froh, die Belastung der letzten Stunden hat ihren Tribut gefordert und so ist es schön sich über Seiltechnik und Wegfindung keine Gedanken mehr machen zu müssen. Die Abseilstellen klettern wir ab und so überholen wir auch die Italiener mit ihrem Seilverhau wieder. Am Ende des Felsgrates habe ich Netz und kann Karin anrufen. Als ich ihr erzähle bricht es wieder aus mir heraus, ich hatte nicht gedacht, dass mich das Erlebte so sehr berührt. Ich dachte ich wäre abgebrühter.... Endlich erreichen wir die Hütte (2 Stunden, ↓450 hm) und können uns aus unserer Ausrüstung schälen. Nach 12½ Stunden und dem Erlebten sind wir fertig mit der Welt. Die Hüttenwirte nahmen uns herzlich auf und Bier und Pasta (mit dem besten Pesto das ich je gegessen habe) stärkten uns und wir konnten mit den anderen (vor allem mit Raphael, Thomas und Marcel) den Unfall durchsprechen. Mir tat es gut darüber zu sprechen, jetzt da alles im Bewusstsein angekommen ist. Überraschenderweise schlief ich schnell und gut ein und auch fast aus (wenn man 5 Uhr ausschlafen nennen will).
2017_08_03_Bernina |
Abstieg über Fortezza
Auf der Marco e Rosa Hütte gibt es nur eine Frühstückszeit und so starten alle fast gleichzeitig sowohl zur Bernina, wie auch zum Palü, oder wie wir zum Abstieg über die Fortezza. Etwas wehmütig verabschiedeten wir uns von den anderen und ließen sie vor uns wegziehen. Der Abend mit Natascha, Marcel und Thomas (und auch Raphael) hatte gut getan. Vor allem Thomas sind wir sehr dankbar, ohne ihn hätten wir sicher noch ein bis zwei Stunden länger für den Abstieg benötigt.
Bei bestem Wetter folgten wir der Spur durch das Spaltengewirr zur Belavista Terrasse. Ich frage mich, was ich mir dabei gedacht hatte mit Claudi und Peter hier bei praktisch Nullsicht durchzustolpern. Am Beginn der Fortezza (1¾ Stunden, ↑200 hm, ↓300 hm) hat sich die Routenführung wegen einem frischen Ausbruch verändert, durch die gute Markierung kann man sich aber eigentlich nicht verlaufen. Und so kletterten wir den Grat ab. Vladi vor, ich hinterher (1½ Stunden, ↓ 160 hm). Am Ende des Grates warteten noch ein paar Eispassagen (praktisch alles blank) und der Fortezzagletscher, bis wir endlich die Isla Persa erreichten (1 Stunde, ↓480 hm). An einem kleinen Schmelzsee machten wir Pause und sahen hinüber zur Unfallstelle des Vortages, kein schöner Anblick, aber zumindest begann ich nicht mehr am ganzen Körper zu zittern.
Der restliche Abstieg ist dann nur noch Geschottere und die Überquerung des Morteratschgletschers, musste natürlich auch noch gemacht werden. Nach den letzten Tagen war vor allem der "Gletscherpfad" nach Morteratsch hinaus etwas skurril. Wir mit unseren Rucksäcken vollgestopft mit Ausrüstung und unseren Köpfen schwer von Erlebnissen, inmitten von Tagesausflüglern und Familien (2 Stunden, ↓950 hm).
Bei bestem Wetter folgten wir der Spur durch das Spaltengewirr zur Belavista Terrasse. Ich frage mich, was ich mir dabei gedacht hatte mit Claudi und Peter hier bei praktisch Nullsicht durchzustolpern. Am Beginn der Fortezza (1¾ Stunden, ↑200 hm, ↓300 hm) hat sich die Routenführung wegen einem frischen Ausbruch verändert, durch die gute Markierung kann man sich aber eigentlich nicht verlaufen. Und so kletterten wir den Grat ab. Vladi vor, ich hinterher (1½ Stunden, ↓ 160 hm). Am Ende des Grates warteten noch ein paar Eispassagen (praktisch alles blank) und der Fortezzagletscher, bis wir endlich die Isla Persa erreichten (1 Stunde, ↓480 hm). An einem kleinen Schmelzsee machten wir Pause und sahen hinüber zur Unfallstelle des Vortages, kein schöner Anblick, aber zumindest begann ich nicht mehr am ganzen Körper zu zittern.
Der restliche Abstieg ist dann nur noch Geschottere und die Überquerung des Morteratschgletschers, musste natürlich auch noch gemacht werden. Nach den letzten Tagen war vor allem der "Gletscherpfad" nach Morteratsch hinaus etwas skurril. Wir mit unseren Rucksäcken vollgestopft mit Ausrüstung und unseren Köpfen schwer von Erlebnissen, inmitten von Tagesausflüglern und Familien (2 Stunden, ↓950 hm).
2017_08_04_Fortezza |
Unsere gesamte Runde waren ⇅5120 hm, die Bedingungen in den Eisteilen der einzelnen Touren zum Teil heikel. Durch den direkt miterlebten Seilschaftsabsturz am Biancograt waren wir psychisch stark belastet und hätten im Nachhinein betrachtet sofort die Notbremse (aka Rega Joker) ziehen sollen. Die psychische Komponente habe ich definitiv unterschätzt. Vor allem wie langsam uns das Erlebte am weiteren Weg gemacht hat. Da sich das Wetter stabil gehalten hatte, kamen wir nicht in Bergnot, wobei wir beide froh waren, als Thomas uns beim Abstieg unter seine Fittiche genommen hat. Ob ich beim (hoffentlich niemals eintretenden) nächsten Mal schlauer bin, ich hoffe schon, hier die Hubschrauberbergung abzulehnen kommt mir im Nachhinein als falscher Stolz vor. Vielleicht habe ich unterbewusst aber auch zum Weitergehen gedrängt da ich an diesem Berg schon vier erfolglose Versuche hatte. Andererseits gab uns der Abschluss der Tour auch wieder Selbstvertrauen in unsere Fähigkeiten. Wie sehr mich das Erlebte bei weiteren Touren beeinflussen wird kann ich auch noch nicht abschätzen, (panische) Angst vor Mitreisunfällen hatte ich sowieso schon (spätestens seit unserer Aktion am Glocknerleitl nach dem Stüdlgrat). Trotz allem war die Woche eine schöne Zeit mit Vladi, hoffentlich begleitet er mich trotzdem wieder ins Eis.