Freitag, November 16, 2018

Europa Süd-West, Teil 3, Portugal - 15.10.-16.11.2018

Diesmal ist es eine Geschichte von Plänen und wie das Leben so gehen kann, vom Reisen und sich treiben lassen. Und von unglaublicher Inkompetenz...

Josef war so nett uns seinen Portugal-Kletterführer zu leihen, so hatten wir ziemlich genaue Vorstellungen wohin wir wollten. Der erste Stopp sollte in einem Bouldergebiet nahe Porto sein. Die Rechnung hatten wir aber ohne Leslie gemacht. Die nördlichen Ausläufer des Hurrikans (ok, als er/sie auf das Festland getroffen war wurde er/sie zu einem Tropensturm zurück gestuft) hatten wir in Galizien gespürt, etwas windig und ganz schön viel Wasser, von oben/seitlich. So sparten wir uns den Norden Portugals. Zum Klettern war alles tagelang viel zu nass und wir sehnten uns nach ein paar Grad mehr. So ein Sturm bringt aber eben auch Wellen und so war schnell ein neues Ziel gefunden, Nazaré mit seinen Big-Wave-Surfern. Der Andrang der Pros war nicht gerade gering, schließlich handelte es sich um den ersten Swell der Saison. Surfen sahen wir aber niemanden, 15 Meter sind wohl doch zu unspektakulär für die Elite. Obwohl, zu erst sahen wir in Nazaré nur Betonbunker und einen Strand OHNE Wellen, ziemlich enttäuschend. Von Fotos kannten wir aber den Leuchtturm und so fanden wir sie dann auch, die Wellen und den Praia Norte. Beeindruckend, wenn die Wellen über den Fels vor dem Leuchtturm schlagen, aber surfen sahen wir wie gesagt niemanden. Die Nacht verbrachten wir am Nordstrand und lernten dabei Chanti und Joël kennen, zwei Schweizer Surfer. Der Abend und der Spot waren so nett, dass wir blieben. So konnten wir ein paar Surfern bei etwa 10 Metern zusehen, ganz schön groß oder klein, je nach dem was man betrachtet. Der zweite Abend war sogar noch netter als der erste und so hatte ich auf unserer Weiterfahrt nach Peniche ganz schön Kopfschmerzen. Nach Peniche wollten wir eigentlich um uns das Klettergebiet Cabo Cavoeiro anzusehen. Das Wetter lud aber weder zum Verweilen noch zum Klettern an der Steilküste ein und so war dieser Abstecher klettertechnisch eher ein Satz mit X. Dafür stoppte die WSL mit einem Bewerb am Supertubos und da mussten wir natürlich hin. Chanti und Joël trafen wir dabei auch gleich wieder, sie waren aber selbst zum Surfen da. Nach einem weiteren (sonnigen) Bewerbtag verließen wir Peniche in Richtung Sintra, für das totale Touriprogramm. Die berühmten Gärten (Quinta da Regaleira) sind einfach zauberhaft, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Türmchen und Höhlen laden zum Erkunden dieser Märchenwelt ein. Da störten die Menschenmassen (selbst unter der Woche) nicht ganz so sehr. In das Bouldergebiet Praia do Cavalo kamen wir dann gar nicht, weil nicht Ebbe war. Somit also der nächste Satz mit X in Punkto Klettern. Der Klettertag am Farol da Guia in Cascais war dafür umso besser. Obwohl es fast unerträglich heiß in den Südwänden des Gebiets war, überzeugte die gute Absicherung und der perfekte Kalk. Wir kletterten den gesamten linken Teil des Sektors Ocidente (IV bis 6a+) bevor wir der Hitze entflohen und den Abend (inklusive super kitschigem Sonnenuntergang) im Bouldergebiet Baia do Mexilhoeiro verbrachten. Die Boulder verlaufen an gewaltigen Quadern direkt am Wasser. Sintra bietet aber noch viel mehr und ist vor allem für seine Granitbouldergebiete im Wald bekannt. Dort verbrachten wir einen Tag in Capuchos, ein schönes Gebiet mit leichteren Bouldern, leider etwas zugewachsen.
2018_10_15-21_Portugal1

Zur Einstimmung auf die nächste Woche trafen wir uns zum Abendessen mit Chanti und Joël. Paul und ich wollten nämlich in Ericeira bei Anne und Fridi einen Surfkurs machen. Eine saucoole Woche. Einziger Wehmutstropfen war das Einchecken am Camping. Die Dame dort hatte wohl einen schlechten Tag (Woche/Jahr/Leben) und wir waren drauf und dran dem Camping den Rücken zu kehren und auch hier eine Woche wild zu stehen. Wir schluckten unseren Ärger aber hinunter und lernten so Judith und Stefan mit ihren Töchtern kennen. Die vier waren mit ihrem Wohnmobil ½ Jahr unterwegs. Eine geniale Combo, die beiden Mädels waren nämlich etwa in Paul und Annas Alter und somit war die Kinderbetreuung ein Selbstläufer. Und als dann Chanti und Joël auch noch vorbei kamen war die Partycombo komplett. Sowohl Judith und Stefan, wie auch Chanti und Joël sollten wir aber in den folgenden Wochen noch viele Male treffen.
Der Kurs war der Wahnsinn, fünf Tage lang machten wir Matadouro unsicher und weil ich nach dem Vormittag (mit viel paddeln) noch nicht genug hatte, lieh ich mir zusätzlich ein Board für die Nachmittage. Am vierten Tag war ich bereit für die Outside. Und siehe da, entgegen aller Voraussagen machte es richtig Spaß und ich erwischte alle Wellen die ich anpaddelte. Zwei davon surfte ich sogar bis zum Strand. Am nachhaltigsten war aber ein Ausrutscher beim Aufrichten. Die Rippenprellung*, die ich mir dabei holte, verfolgte mich noch mehrere Wochen. Naja, nur die Harten kommen in den Garten und Surfen ist definitiv nichts für Pussies! Den letzten Tag schaffte ich aber nur mit Schmerzmitteln.
Paul stellte sich am Brett noch um einiges geschickter an als ich und selbst ein Extrawaschgang am dritten Tag verdaute er relativ gut. An den Nachmittagen testeten wir auch andere Strände, wie Ribeira de’ Ilhas oder Foz do Lizandro. Mit Joël und seinem Brett (ja, ein richtiges 6.10, nicht nur ein Softtop wie im Kurs) machte ich dann noch Praia Grande in Sintra unsicher. Schon eine andere Nummer und gewaschen wurde ich ganz ordentlich, aber ich bin so was von angefixt! Selten ein Sport bei dem ich von der ersten Minute an wusste, dass ich da unbedingt weiter machen muss. Paul und ich haben inzwischen Wetsuits und so stand dem Spaß im Atlantik nichts mehr im Wege.

* Nachtrag: Nach drei Wochen Schmerzen und einer Rippe die sich deutlich vom Brustkorb abhebt, denke ich, dass es sich vielleicht doch um einen Bruch/Anbruch handelt
2018_10_21-26_EriceiraSurf

Am Farol da Guia konnten wir uns endlich bei Chanti und Joël revanchieren. Die Südwände boten perfekte Bedingungen an diesem kühlen, windigen Tag und so verbrachten wir einen super Klettertag mit den beiden. Das Sahnehäubchen war dann noch ein Onsight von Ovomaltine (6a+) und Biceps (6a), zwei Ultraklassiker in dem Gebiet. In Lissabon trafen wir wieder auf Judith, Stefan und die Mädels und besuchten die Stadt zusammen. Ein saulustiger Tag, vor allem als unsere Tram der Stromabnehmer von der Oberleitung sprang und damit nicht nur einen (Tram)Stau auslöst, sondern uns auch Zeit verschaffte Bier zu beschaffen. Als am Abend auch noch Chanti und Joël zu uns stießen, klang der Tag ziemlich feucht-fröhlich aus.
Das Verabschieden beim morgentlichen Aufbruch hatte inzwischen genauso Tradition wie das zufällige aufeinander treffen. Mit Chanti und Joël fuhren wir noch an den Strand von Costa da Caparica zum Surfen. Da wurde ich im Shore-Break gleich wieder ordentlich gewaschen.
Uns zog es weiter nach Süden, nach Sesimbra ins Klettergebiet Sesimbra Velha. Aber weder Sesimbra Velha noch Azóia luden wirklich ein mit Kindern zu Klettern und das Wetter verschlechterte sich zusehends. So wollten wir weiter in den Süden und kurz vor Sines geschah es dann, die Christbaumbeleuchtung im Armaturenbrett ging an. Ab in die Werkstatt in Santiago do Cacém. Dort dann die Hiobsbotschaft: Turboschaden. Viel schlimmer als das Loch in der Urlaubskasse, Lieferzeit mindestens eine Woche. So also aus der Not eine Tugend machen und die ganze Reise weiter entschleunigen. Die Strände rund um Sines kannten wir schon und wenn auch der Lagoa da Santo Andrés sehr schön ist, eine Woche wollten wir hier nicht versauern (noch dazu bei relativ schlechtem Wetter). An diesem Tiefpunkt kamen uns Chanti und Joël zur Hilfe. Ein Mittagessen und einen Kaffee später stand der Plan: weiter in den Süden, vorsichtig fahren und wenn das Teil vor Ort ist wieder zurück kommen. In Carrapateira trafen wir wieder auf Judith und Stefan. Ein traumhafter Strand, eine tolle Steilküste, die sogar „atmet“ und ein sehr entspannter Tag mit den vier Kids. In Sagres ist mit dem Farol do Cabo de Săo Vicente nicht nur der süd-östlichste Punkt Kontinentaleuropas, sondern auch ein ziemlich anspruchsvolles Klettergebiet (viel Trad und DWS). Mit Joël konnte ich in Foz do Fornos sogar eine Mehrseillängentour gehen. Damit wieder ein super cooler Klettertag, auch wenn die Felsqualität nicht ganz überzeugen konnte. Leider trennten sich Chanti und Joëls und unsere Wege nun endgültig, für sie gings weiter in den Süden, während wir uns noch ein paar schöne Strände östlich von Sagres ansahen und uns langsam wieder auf den Weg Richtung Turbo machten.
Der Weg zum Turbo führte uns wieder nach Carrapateira. Bei Fotos der genialen Dünung bekamen Paul und ich an den Atemfelsen eine Dusche und ich zerstörte dabei wahrscheinlich meinen Fotoapparat, nicht der erste Verlust diesen Urlaub. Unsere Neuerwerbung, ein SUP mussten Paul und ich natürlich auch testen. Jetzt haben wir dann aber definitiv NICHTS mehr Platz im Bus.
2018_10_27-11_07_Portugal2

Und so kamen wir zurück nach Santiago do Cacem. Der Turbo war da und die Arbeiten konnten beginnen, dann kurz vor Werkstattschluss, die nächste schlechte Nachricht, beim Ausbau des Krümmers waren Stehbolzen abgerissen, müssen nachbestellt werden, der Bus steht über Nacht. Leider auf der Hebebühne, also nicht nur kein fahrbarer Untersatz sondern auch kein Dach über dem Kopf. So hatten wir neben einer Nacht im Hotel (und einer Dusche) auch die Möglichkeit die Altstadt anzusehen, ist wirklich ganz nett und hätten wir sonst wohl eher nicht besucht. Der nächste Tag verging dann mit dem Einbau, wir hatten aber einen Mietwagen und bestaunten die Strände entlang der Küste südlich von Sines. Dort liegt auch noch das rostende Frack eines gestrandeten Fischkutters. Zurück in der Werkstatt war zwar der Motorraum so weit in Ordnung, nur die Manschetten am Antriebstrang des 4motion waren abgerissen. Das war nun der Punkt an dem ich explodierte, langsam hatte ich das Gefühl, dass uns jeder Besuch in der Werkstatt einen weiteren Schaden brachte. Die Werkstatt versprach die Teile zu besorgen und wir machten uns mit Zwei- statt Vierradantrieb auf den Weg in den Süden. Warten kannten wir inzwischen ja schon.
Wenn wir davor schon entschleunigt waren, kam die Reise nun praktisch zum Stillstand. Eigentlich wollten wir seit fast zwei Wochen in Marokko sein. Die Strände rund um Albufeira haben zwar ihren Charme und die Grotte von Benagil mit dem SUP zu erkunden war auch eine tolle Erfahrung, das Sandskulpturenfestival von Pêra oder die Knochenkapelle von Alcantarilha sind wirklich sehenswert, aber unsere Reise hätte definitiv anders laufen sollen. Wo war das Klettern, das neue Gegenden erkunden? Halt, wir mussten etwas unternehmen, also ging es ein Stückchen weiter, an den Rocha da Pena, das süd-östlichste Klettergebiet Portugals. Von dem kleinen Weiler sahen wir uns ein paar der Sektoren an und wanderten auf das Karstplateau (1½ Stunden, 200 hm, 4 km). Nicht nur eine schöne Wanderung, es kam auch Vorfreude auf das Klettern auf. Genau das versaute uns dann der Anruf der Werkstatt, vier Tage hatten sie benötigt um heraus zu finden, dass die Teile ab Bestellung zwei Wochen Lieferzeit hatten. Für uns eine Katastrophe, nicht nur monetär sondern auch zeitlich. Unser Urlaub sollte nur noch zweieinhalb bis drei Wochen dauern und es lagen noch 3000 km vor uns. Über den ADAC versuchten wir die Teile schneller zu beschaffen, aber alles überschattete den Klettertag. Paul stieg in einem unbenannten Sektor rechts von You never gonna make it sehr souverän eine Tour vor und sogar Karin traute sich wieder mal ans scharfe Ende des Seils. Mit meinem nicht wirklich freien Kopf stieg ich in Carpe Diem (6c) im gleichnamigen Sektor ein. Siehe da, bis auf einen kleinen Hopser am vierten Haken ging die Tour ganz gut und mit freiem Kopf würde sich das ganze nach einem sicheren Punkt anfühlen. Im Sektor Águia kletterte ich noch die wunderschöne Dejá vu (V+) und Perestroika (6a) den Direkteinstieg des Klassikers Águia. Den Tag schlossen wir mit einer Wanderung direkt durch die Sektoren hinauf auf das Karstplateau und einer Runde über den Gipfel Talefe (479 m) und das Dorf Penina zurück nach Rocha da Pena ab (2 Stunden, 230 hm, 5 km). In Penina bestaunten wir das Häuschen einer alten Dame, die uns durch ihr „Museum“ führte. Einfach toll. Der nächste Tag begann wieder mit einer Explosion meinerseits. Der ADAC informierte uns, dass die Teile beschaffbar sind und bis Freitag in der Werkstatt sein können. Leider sehr wahrscheinlich erst Freitagabend, also wenn es schlecht läuft nicht drei sondern sechs Tage verloren. Als ich mich wieder beruhigt hatte betrachteten wir unsere Lage mit der stoischen Gelassenheit, die wir uns inzwischen angeeignet hatten. Erst mal Klettern gehen, in den Sektor Bonneli Express. Am Weg machten wir Stopp im Sektor Filosofos und Karin kletterte eine Tour am linken Rand des Sektors. Schön, dass sie sich auch endlich wieder vorsteigen traut. Bonneli Express (6b) ist dann das "must do" im Gebiet (laut Führer), eine super schöne Kletterei an Sintern, Löchern und Taschen. Endlich konnte ich wieder Klettern. Einfach nur auf den Fels und den nächsten Griff fokussiert sein und das ganze Potential aus sich heraus holen. Kein Gedanke mehr an Werkstatt, Ersatzteile, Geld und Zeit. Was für wunderschöne zehn Minuten. Beim TAB in der Bar Das Grutas die Nachricht des ADAC, die Teile sind in einem Tag da. Wir verbrachten noch einen Tag am Praia dos Arrifes. Dort entdeckten wir einen Oktopus, der im flachen Wasser beim Jagen war. Der Anruf vor der Fahrt zur Werkstatt führte dann zu meiner bis dato letzten Explosion. Zwei deutsche Touristen suchten ziemlich verschreckt das Weite. Die Lieferung ist zwar da, aber nicht alle benötigten Teile. Hätte ich einen Vorschlaghammer gehabt, ich hätte unseren Bus und jeden VW Mitarbeiter demoliert. Hatte ich aber nicht und 15 Minuten später die Entwarnung, alle Teile sind da.
Nun sitzen wir wieder in der Werkstatt ... hoffentlich machen sie beim Einbau nicht wieder etwas kaputt. Wenn aber alles gut geht, fahren wir heute noch nach Cadiz. Endlich wieder am Weg, raus aus der Warteschleife.
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